Inventur durchführen: Inventurarten
Per Definition ist die Inventur eine (jährliche) Bestandsaufnahme, bei der alle im Unternehmen vorhandenen Waren- und Vermögensbestände sowie offene Verbindlichkeiten („Schulden“) mengen- und wertmäßig erfasst werden. Im Normalfall erfolgt diese Bestandsaufnahme zu einem festgelegten Zeitpunkt, dem sogenannten Bilanzstichtag, in Form eines Soll-Ist-Vergleichs. Das Ziel ist eine lückenlose Ermittlung aller im Unternehmen vorhandenen Werte. Zu diesem Zweck wird eine Liste aller vorhandenen Güter erstellt, das Inventar. Diese Inventurliste dient als Grundlage für die Erstellung der Bilanz und unterliegt einer 10-jährigen Aufbewahrungsfrist.
Welche Inventurarten gibt es?
Den größten Aufwand stellt die körperliche Inventur im Weinhandel dar: Unternehmer müssen alle Warenbestände durch Zählen, Messen oder Wiegen ermitteln. Wenn das für bestimmte Produkte nicht möglich ist, dürfen Sie den Ist-Bestand auch schätzen. Eine korrekte Ermittlung der Ist-Bestände zeigt in der Praxis immer Inventurdifferenzen auf. Anhand der festgestellten Abweichungen müssen Sie die Bestände in der Buchhaltung anschließend anpassen.
Die vorhandenen Vermögenswerte (offene Verbindlichkeiten aus Lieferantenrechnungen, Forderungen gegen Ihre Kunden, Guthaben auf Bankkonten, etc.) ermitteln Sie in Form einer Buchinventur. Die Grundlage für diese sind Belege wie Eingangsrechnungen, Verträge und Kontoauszüge.
Grundsätzlich unterscheidet man zwischen folgenden Inventurarten:
Stichtagsinventur
Bei der Stichtagsinventur erfolgt die Bestandsaufnahme unmittelbar am letzten Tag des laufenden Geschäftsjahres. Da dieser oft auf den 31. Dezember fällt, führen die wenigsten Weinhändler eine Stichtagsinventur durch: Der Zeitdruck, den sie mit sich bringt, bedeutet immensen Stress für alle Beteiligten und erhöht deshalb die Gefahr von Erfassungsfehlern. Glücklicherweise ist kein Unternehmer zur exakten Stichtagsinventur verpflichtet; es gibt Sonderformen, die Weinhändlern mehr Spielraum gewähren:
Zeitnahe Stichtagsinventur
Die zeitnahe Stichtagsinventur erlaubt die Bestandsaufnahme innerhalb von 10 Tagen vor oder nach dem Stichtag. Allerdings müssen Sie bei dieser Sonderform der Stichtagsinventur unbedingt sämtliche Bestandsveränderungen zwischen der tatsächlichen Inventur und dem Stichtag dokumentieren und berücksichtigen. Sie dürfen die Bestandsaufnahmen nur dann zeitversetzt durchführen, wenn Sie mit Belegen und Aufzeichnungen nachweisen können, dass Sie eine korrekte wertmäßige Fortschreibung bzw. Rückrechnung zum Stichtag vorgenommen haben.
Verlegte Inventur
Eine verlegte Inventur kann bis zu 3 Monate vor bzw. 2 Monate nach dem Stichtag erfolgen. Allerdings dürfen Sie diese Frist nur dann in Anspruch nehmen, wenn die Voraussetzungen für andere Inventurarten nicht gegeben oder aufgrund von sehr hohen Warenbeständen für Ihr Unternehmen nicht praktikabel sind.
Genau wie bei der zeitnahen Stichtagsinventur ist eine wertmäßige Anpassung der erfassten Bestände zum Stichtag obligatorisch. Sie müssen zu diesem Zweck alle Zu- und Abgänge genau dokumentieren. Aus diesem Grund gestattet der Gesetzgeber die verlegte Inventur nur dann, wenn Sie eine realitätsgetreue Fortschreibung/Rückrechnung gewährleisten können. Wenn Ihr Inventar besonders wertvolle Waren, verderbliche Produkte oder Verbrauchsgüter umfasst, kommt diese Art der Inventur für Ihren Weinhandel eher nicht in Frage.
Die verlegte Inventur ist für Weinhändler attraktiv, wenn sie eine Zeitersparnis verspricht: Wenn Sie die Inventur zu einem Zeitpunkt mit niedrigem Lagerbestand durchführen können. Der auf 5 Monate ausgeweitete Inventurzeitraum bietet auch den Vorteil einer flexibleren Planung. Ferner profitieren Sie davon, terminliche Engpässe am Stichtag zu verringern. Die verlegte Inventur macht somit besonders Sinn für Unternehmen mit saisonbedingten Stoßzeiten.
Allerdings ist eine Verlegung des Bilanzstichtages nicht zulässig, wenn Ihr Inventar aus sehr wertvollen Gütern, verderblichen Produkten oder Waren besteht, die verbraucht werden. In dem Fall können Sie keine korrekte Rückrechnung gewährleisten.
Permanente Inventur
Eine permanente Inventur findet i. d. R. EDV-basiert statt. Mit einem Warenwirtschaftssystem werden alle Warenbewegungen dokumentiert. Sie müssen jeden Zu- und Abgang erfassen und über das laufende Geschäftsjahr fortschreiben. Ergänzend müssen Sie mindestens 1 x jährlich für jeden Artikel eine körperliche Bestandsaufnahme (Zählen, Messen, Wiegen oder Schätzen) durchführen. Den Zeitpunkt dieser Bestandsprüfung dürfen Sie frei wählen, Sie sind nicht an einen Stichtag gebunden. Der große Vorteil dabei ist, dass die Erfassung auf Artikelebene getrennt stattfinden kann: Sie dürfen den Bestand für Wein A im Januar checken, für Wein B im Februar usw. Folglich können Sie mit einer permanenten Inventur die Bestandsaufnahme über das gesamte Jahr verteilen. Somit vermeiden Sie eine Unterbrechung des laufenden Geschäfts während der Inventur und profitieren von hoher Flexibilität.
Stichprobeninventur
Die Stichprobeninventur findet hauptsächlich in Großunternehmen Anwendung. In Deutschland war die Firma Siemens eines der ersten Unternehmen, das dieses Verfahren in den 1970er Jahren implementierte. Anstelle des gesamten Warenbestands wird nur für Stichproben eine körperliche Bestandsaufnahme vorgenommen. Die ermittelten Werte werden anschließend für die Ermittlung des Gesamtbestands hochgerechnet. Damit die Stichprobeninventur vom Finanzamt anerkannt wird, ist es zwingend erforderlich, dass valide mathematisch-statistische Verfahren für die Ermittlung der Werte angewendet werden und die Stichproben sorgfältig und repräsentativ ausgewählt sind.
Besteht für jeden Weinhändler die Pflicht zur Bestandsaufnahme?
Nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung (kurz: GoB) sind Kaufleute generell zu einer jährlichen Bestandsaufnahme verpflichtet. Es gibt aber Ausnahmen:
- Weinhändler, die Ihren Gewinn per Einnahmen-Überschuss-Rechnung ermitteln, dürfen freiwillig eine Inventur durchführen. Sie sind aber nicht verpflichtet.
- Liegt der Umsatz Ihres Unternehmens in 2 aufeinanderfolgenden Geschäftsjahren unter 500.000 Euro und Ihr Gewinn nicht über 50.000 Euro, dürfen Sie ebenfalls auf eine Inventur verzichten.
Quellenangaben und weiterführende Links
https://www.gesetze-im-internet.de/hgb/__241.html
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